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Recht14 Min.23.06.2025
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Scheinselbstständigkeit: Die große Gefahr für Auftraggeber & Freelancer (So schützt du dich 2025)

Die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern und Freelancern ist für viele Unternehmen der Schlüssel zu Agilität und Wachstum. Sie ermöglicht den flexiblen Zugriff auf Expertenwissen, ohne die vollen Verpflichtungen eines festen Arbeitsverhältnisses eingehen zu müssen. Doch unter dieser attraktiven Oberfläche lauert eine oft unterschätzte rechtliche und finanzielle Gefahr: die Scheinselbstständigkeit.

Der Begriff geistert durch die Geschäftswelt, doch die Kriterien sind oft unklar. Eine Fehleinschätzung kann jedoch für beide Seiten – Auftraggeber und Auftragnehmer – ruinöse Konsequenzen haben. Dieser Artikel bringt Licht ins Dunkel. Wir erklären, was Scheinselbstständigkeit genau ist, anhand welcher Kriterien die Behörden prüfen und wie Sie sich wirksam davor schützen können.

Was ist Scheinselbstständigkeit genau?

Ganz einfach ausgedrückt liegt eine Scheinselbstständigkeit vor, wenn eine Person offiziell als selbstständiger Unternehmer (z.B. Freelancer, freier Mitarbeiter) auftritt, ihre Tätigkeit aber in der Praxis so ausübt, wie es typischerweise ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer tun würde.

Der Kern des Problems aus Sicht des Staates ist die Umgehung der Sozialversicherungspflicht. Echte Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber müssen Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Bei der Beauftragung von (echten) Selbstständigen entfallen diese Abgaben für den Auftraggeber. Stellt sich eine Zusammenarbeit als “falsche” Selbstständigkeit heraus, sieht der Staat darin den Versuch, diese Sozialabgaben zu umgehen – und fordert sie mit harten Konsequenzen nach.

Die Checkliste: Anhand dieser Kriterien prüft die Rentenversicherung

Es gibt keinen simplen Test, der mit “Ja” oder “Nein” beantwortet werden kann. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nimmt immer eine Gesamtabwägung aller Umstände vor. Es gibt jedoch klare Kriterien, die als starke Indizien (rote Flaggen) für eine Scheinselbstständigkeit gewertet werden:

Kriterien, die FÜR eine Scheinselbstständigkeit sprechen:

  • Starke Weisungsgebundenheit: Der Auftraggeber bestimmt nicht nur, was das Ergebnis der Arbeit sein soll, sondern auch wie, wann und wo die Arbeit konkret ausgeführt wird. Der Freelancer hat kaum unternehmerische Freiheit.
  • Feste Einbindung in die Arbeitsorganisation: Der Freelancer hat einen festen Schreibtisch im Büro des Auftraggebers, eine Firmen-E-Mail-Adresse, muss an regulären Team-Meetings teilnehmen und ist in Urlaubs- oder Dienstpläne eingebunden.
  • Tätigkeit überwiegend für nur einen Auftraggeber: Dies ist ein sehr starkes Indiz. Als Faustregel gilt: Bezieht ein Selbstständiger mehr als fünf Sechstel seines Umsatzes von einem einzigen Kunden, wird eine Abhängigkeit vermutet.
  • Kein eigenes unternehmerisches Auftreten: Der Freelancer tritt nach außen nicht als eigenständiger Unternehmer auf. Er hat keine eigene Webseite, kein Briefpapier, keine Visitenkarten und wirbt nicht aktiv um andere Kunden.
  • Kein unternehmerisches Risiko: Der Freelancer trägt kein eigenes Risiko. Er erhält eine feste monatliche Vergütung (ähnlich einem Gehalt), bekommt Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und nutzt ausschließlich die vom Auftraggeber gestellte Ausrüstung.

Die fatalen Folgen für beide Seiten

Wird bei einer Prüfung eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, sind die Konsequenzen gravierend:

Für den Auftraggeber (das Unternehmen)

  • Die Nachzahlung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge – also Arbeitgeber- UND Arbeitnehmeranteil – für bis zu vier Jahre rückwirkend.
  • Zusätzlich werden Säumniszuschläge fällig.
  • Es können strafrechtliche Ermittlungen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eingeleitet werden.

Für den Auftragnehmer (den “Freelancer”)

  • Er verliert rückwirkend seinen Status als Selbstständiger für diese Tätigkeit.
  • Er muss die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nachzahlen.
  • Gleichzeitig erlangt er aber auch den Status eines Arbeitnehmers mit allen Rechten, wie z.B. Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

So schützen Sie sich als Unternehmer (Prävention)

Prävention ist der beste Schutz. Achten Sie auf folgende Punkte:

  1. Sorgfältige Vertragsgestaltung: Der Vertrag sollte klar als “Dienstleistungs-” oder “Werkvertrag” bezeichnet sein. Er sollte das Ergebnis oder das Projekt definieren, nicht die Arbeitsleistung nach Stunden. Begriffe wie “Gehalt”, “Urlaub” oder “Nebentätigkeitsverbot” sind absolut tabu.
  2. Die “gelebte Praxis” ist entscheidend: Der beste Vertrag nützt nichts, wenn die Realität anders aussieht. Geben Sie keine detaillierten Anweisungen zur Durchführung, lassen Sie dem Freelancer freie Hand bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes und binden Sie ihn nicht in interne Abläufe ein.
  3. Unternehmerisches Auftreten prüfen: Beauftragen Sie Freelancer, die klar als Unternehmer am Markt erkennbar sind – mit eigener Webseite, mehreren Kunden und eigenem Equipment.
  4. Das Statusfeststellungsverfahren: Der sicherste Weg! Sie können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund vor Beginn der Zusammenarbeit ein offizielles Statusfeststellungsverfahren beantragen. Die DRV prüft den Fall und gibt eine rechtlich verbindliche Entscheidung über den Status ab. Dies schafft Sicherheit für beide Seiten.

Die sichere Alternative zum Freelancer

Die rechtlichen Grauzonen bei der Beauftragung von Freelancern können ein erhebliches Risiko darstellen, besonders wenn eine enge und langfristige Zusammenarbeit geplant ist, bei der Sie Weisungen erteilen müssen.

Wenn Sie die volle Kontrolle und eine feste Integration ins Team benötigen, ist eine reguläre Anstellung oft der rechtssicherere Weg. Für den Einstieg bietet sich hier der Minijob an. Gewerbo hilft Ihnen, diesen Anmeldeprozess von der Beantragung der Betriebsnummer bis zur Anmeldung bei der Minijob-Zentrale korrekt und einfach abzuwickeln und schafft so eine klare und rechtssichere Grundlage für Ihre Zusammenarbeit.

Wichtiger Hinweis & Quellen

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Die Beurteilung einer Scheinselbstständigkeit ist eine komplexe Einzelfallentscheidung. Trotz sorgfältiger Recherche können wir keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte übernehmen. Wir empfehlen bei Unsicherheiten oder konkreten Vertragsgestaltungen dringend, die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeits- oder Sozialrecht in Anspruch zu nehmen.

Quellen

Die Informationen in diesem Artikel basieren auf den Veröffentlichungen und gesetzlichen Grundlagen der Sozialversicherungsträger: